Mikro-Organismen: Viren - Viren - Viren - Mikro-Organismen - Natürlichkeit
"Da gibt es nicht mehrere tausend Viren, sondern nur ein paar hunderttausend", sagt der Umweltarzt Peter Daszak von der non-profit-Allianz. Eine von Daszak und einem internationalem Forschungsteam durchgeführte Untersuchung hat ergeben, dass in den Säugetieren etwa 320.000 Virusarten sind. "In Anbetracht der vorhandenen Technik können wir jeden einzelnen Erreger innerhalb weniger Dekaden kennen", sagt Daszak.
Über zwei Dritteln aller menschlichen Viruserkrankungen gehen auf Tiere zurück. Zur Vorbereitung auf zukünftige Epidemien ist es notwendig, die Viren zu untersuchen. Bislang ist die Forschung jedoch noch weit davon entfernt, einen Überblick über die Viruswelt zu haben. Kleiner Viren haben nur vier Genen, grössere Viren mehrere hundert.
Den Viren mangelt es an einem eigenen Metabolismus. Die Frage, ob Viren lebende Organismen sind, ist daher kontrovers. Lebende Wesen können ohne Fremdhilfe leben und fruchtbaren Nachwuchs hervorbringen, so die Abgrenzung. "Die Viren müssen die Zelle infizieren, sonst können sie sich nicht vermehren", sagt der Virusforscher Stephan Pleschka vom Medizinischen Virologischen Zentrum der Uni Giessen. Die Viren hängen von der Lebenskraft anderer ab - deshalb sind sie so aggressiv.
Erst der Einblick in den Nano-Kosmos zeigt, wie die Viren eine einzelne Blase angreifen. So ist das so genannte "Phage T4" nur etwa 50 nm groß. Zur Reproduktion schleust er sich extrem effektiv in sein Kontrollzentrum ein: Zuerst koppelt der Erreger wie eine kleine Mondphase an sein Ziel an.
Die Viren binden sich an gewisse Empfänger auf der Oberfläche der Zellen wie ein Haken, der sich selbst einhängt. Mit einem Proteinstift wird in die Zellenwand gebohrt. Das Eindringen in das Zellreich hat stattgefunden. Jetzt macht sich der Einbrecher auf den Weg über das Kontrollzentrum der Zellen, deren DNA er zersetzt.
Das Bakterium nimmt den Metabolismus auf und reprogrammiert ihn so, dass die betreffende Zellgruppe nur noch Bakteriophagenproteine abbaut. Neue Phasen sammeln sich in der Kammer an. Diese neuen Phasen werden freigegeben - und attackieren nun andere Körperzellen. Die Erbsubstanz des Erregers wird in die Fremdzelle eingebracht. Auf diese Weise verschleiert, multipliziert sich das Erregergewebe mit jeder Wirtszellteilung.
Gemäß der Herangehensweise des Bakterienphagen T4 multiplizieren sich im Grunde alle Viren. Doch um das ausgeklügelte Immunsystem ihrer Betroffenen zu entschärfen, haben die Viren von Haustieren noch aufwändigere Vermehrungsverfahren entwickelt. Der Virusangriff hat die Leichen in Alarmzustand versetzt. Die Phagozyten, die die virusinfizierten Körperzellen angreifen und zerstören, werden vom Immunsystem freigesetzt.
Wenn der Körper die Ansteckung überlebt hat, ist er in Zukunft unempfindlich gegen das Virus: Sein Abwehrsystem hat Speicherzellen geformt, die den Gegner von nun an erkennen. Ärzte verwenden diesen Wirkmechanismus, wenn sie einen Kranken impfen: Sie spritzen geschwächte Viren in den Körper. Eine Erkrankung, bei der selbst Schutzimpfungen bisher keinen Erfolg hatten, ist das HIV-Virus.
Das Abwehrsystem des Menschen wird so stark beeinträchtigt, dass der Körper den Krankheitserregern schutzlos ausgesetzt ist. Die Viren sind sehr flexibel - deshalb können sie so gefährlich sein. Ihre Struktur ist einfach, viele Regelmechanismen sind nicht vorhanden, die in hoch entwickelteren Organismen zu finden sind. Sie verändern die Fläche, auf der sie die körpereigenen Verteidigungssysteme wahrnehmen.
Er überlistet die bisher gebildeten und nicht mehr an die neue Fläche andockbaren Abwehrstoffe. "Deshalb müssen wir für die jährlich stattfindende Grippewellenimpfung neue Vakzine entwerfen, die an die veränderten Viren adaptiert werden", erläutert der Virusforscher Stephan Pleschka.
Stephan Pleschka beschäftigt sich an der Uni Giessen mit dem Veränderungspotential von Viren. Das Immunsystem innerhalb eines Körpers können die Viren nicht nur betrügen, sagt er. Außerdem können sie von einer Spezies zur anderen springen - zum Beispiel vom Mensch zum Lebewesen - um sich auf dem neuen Host zu fortpflanzen.
Eine solche neue Art von Viren ist für den Körper besonders schädlich, da die bestehenden Abwehrmechanismen weitestgehend unwirksam sind. "Eine bloße Genmutation genügt nicht, damit sich ein Tiervirus beim Menschen vermehrt", sagt Pleschka. In der Regel müssen zwei verschiedene Viren gemischt werden. "Dabei haben wir festgestellt, dass nur ein einziges Gen-Segment eines bestimmten Vogelviruses ersetzt werden muss und es sich bei anderen Tierarten und beim Menschen ausbreiten kann.
Doch da sich Viren nach dem Zufallsprinzip und ohne Regel kreuzen, ist es nicht wahrscheinlich, dass dieses Element ersetzt wird. Dadurch wird es für Viren einfacher, sich zu verteilen und zu mischen. "Die Gefahr einer neuen Pandemie besteht immer", sagt Jan Felix Drexler, der am Virologischen Institut der Uni Bonn nach dem Ursprung der neuen Viren nachfragt.
Aufgrund ihrer extremen Vielseitigkeit und Anpassbarkeit werden die Viren den Wissenschaftlern immer einen entscheidenden Vorsprung haben, sagt er. Es wäre für den Forscher bereits ein großer Fortschritt, die potenzielle Gefahr von neuen Krankheitserregern abschätzen zu können, bevor sie sich über die Landesgrenzen hinwegbreiten.